Donnerstag, 24.April 2025
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Digitale Ergotherapie: Alles, was Sie über die Therapie der Zukunft wissen müssen

Digitale Ergotherapie: Alles, was Sie über die Therapie der Zukunft wissen müssen

Geschätzte Lesezeit: 9 Minuten

Key Takeaways

  • Digitale Ergotherapie ist die Integration digitaler Technologien (z.B. Teletherapie, Apps, Sensoren) in die traditionelle Ergotherapie zur Unterstützung der Therapieziele.
  • Sie verbessert die Zugänglichkeit zur Therapie, insbesondere für Personen in ländlichen Gebieten oder mit eingeschränkter Mobilität.
  • Flexibilität wird erhöht, da Termine und Übungen leichter in den Alltag integriert werden können.
  • Wichtige Herausforderungen umfassen technische Voraussetzungen, Datenschutz, therapeutische Grenzen und die Notwendigkeit klarer rechtlicher Rahmenbedingungen.
  • Spezialisierte Therapie-Apps und effiziente Praxissoftware sind zentrale Werkzeuge für die praktische Umsetzung.
  • Die Zukunft liegt wahrscheinlich in hybriden Modellen, die Präsenz- und digitale Therapieelemente kombinieren.

Inhaltsverzeichnis

Digitale Ergotherapie Konzeptbild

Einleitung: Ergotherapie im Wandel der Zeit

Ergotherapie ist ein etablierter und unverzichtbarer Bestandteil des Gesundheitswesens. Ihr Kernanliegen ist es, Menschen aller Altersgruppen dabei zu unterstützen, ihre Handlungsfähigkeit in den für sie bedeutungsvollen Bereichen des täglichen Lebens zu verbessern oder wiederzuerlangen. Dies umfasst Aktivitäten der Selbstversorgung, der Produktivität (z. B. Arbeit, Schule) und der Freizeitgestaltung. Das übergeordnete Ziel ist stets, die gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen und die individuelle Lebensqualität zu steigern. Ergotherapeutische Interventionen sind vielfältig und immer auf die spezifischen Bedürfnisse und Ziele der Klient\*innen zugeschnitten.

In diesem etablierten Feld stellt die digitale Ergotherapie eine bedeutende und moderne Weiterentwicklung dar. Sie repräsentiert die Integration digitaler Technologien in die ergotherapeutische Praxis, um die definierten Therapieziele effektiv zu erreichen. Konkret ist digitale Ergotherapie definiert als der gezielte Einsatz von digitalen Gesundheitsanwendungen – dazu zählen spezialisierte Software, Therapie-Apps oder informative Webseiten – sowie von Sensortechnologie oder Teletherapie-Plattformen durch qualifizierte Ergotherapeut\*innen. Diese Werkzeuge dienen dazu, Klient\*innen bei der Verfolgung und Erreichung ihrer individuellen therapeutischen Meilensteine zu unterstützen und den Therapieprozess zu optimieren.

Die Relevanz der digitalen Ergotherapie nimmt im Kontext der umfassenden Digitalisierung im Gesundheitswesen stetig zu. Dieser Trend transformiert zahlreiche Aspekte der medizinischen und therapeutischen Versorgung. Digitale Ansätze in der Ergotherapie bieten neue Möglichkeiten, die Zugänglichkeit zur Behandlung signifikant zu verbessern. Dies gilt insbesondere für Menschen in ländlichen oder strukturschwachen Regionen, wo Fachpersonal oft schwerer erreichbar ist, sowie für Personen mit eingeschränkter Mobilität, für die der Weg zur Praxis eine Hürde darstellt. Die COVID-19-Pandemie hat diesen Trend beschleunigt und die Notwendigkeit sowie die Akzeptanz digitaler Gesundheitslösungen, einschließlich der digitalen Ergotherapie, zusätzlich unterstrichen.

Dieser Artikel bietet Ihnen eine umfassende Einführung in das Feld der digitalen Ergotherapie. Wir beleuchten detailliert, was genau darunter zu verstehen ist, wie sie in der Praxis funktioniert und welche konkreten Technologien dabei zum Einsatz kommen. Darüber hinaus werden die vielfältigen Vorteile und Chancen, aber auch die bestehenden Herausforderungen und Grenzen dieser modernen Therapieform diskutiert. Ziel ist es, ein klares Bild davon zu vermitteln, wie die digitale Ergotherapie die therapeutische Landschaft verändert und welche Potenziale sie für die Zukunft birgt.

(Quellen: https://dve.info/ergotherapie/definition, https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_therapeutics, https://dtxalliance.org/wp-content/uploads/2021/01/DTA_DTx-Definition-and-Core-Principles.pdf, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/, https://www.news-medical.net/health/What-are-Digital-Therapeutics.aspx)

Was genau ist digitale Ergotherapie?

Die digitale Ergotherapie ist nicht als eine gänzlich neue, eigenständige Therapieform zu verstehen. Vielmehr handelt es sich um eine innovative Erweiterung und Ergänzung der traditionellen, evidenzbasierten Ergotherapie durch den sinnvollen Einsatz digitaler Mittel und Technologien. Die Kernziele bleiben dabei unverändert: Es geht darum, Menschen dabei zu unterstützen, für sie bedeutungsvolle Betätigungen in den zentralen Lebensbereichen Selbstversorgung, Produktivität und Freizeit (wieder) aufnehmen und zufriedenstellend ausführen zu können. Die digitale Ergotherapie verfolgt somit dieselben grundlegenden Prinzipien und Qualitätsansprüche wie die konventionelle Ergotherapie.

Charakteristisch für die digitale Ergotherapie ist die gezielte Kombination von bewährten, wissenschaftlich fundierten therapeutischen Interventionen mit modernen digitalen Werkzeugen. Diese Werkzeuge können vielfältiger Natur sein und umfassen beispielsweise spezifische Softwareanwendungen, mobile Therapie-Apps für Smartphones oder Tablets oder spezialisierte Online-Plattformen. Diese digitalen Komponenten werden sorgfältig ausgewählt und in den individuellen Therapieplan integriert, um spezifische Behandlungsziele zu unterstützen, Übungen anzuleiten, Fortschritte zu dokumentieren oder Kommunikationswege zu erleichtern.

Ein wesentlicher Aspekt der Umsetzung von digitaler Ergotherapie ist häufig die Nutzung von Teletherapie. Teletherapie bezeichnet die Durchführung therapeutischer Leistungen über räumliche Distanz hinweg, typischerweise mittels digitaler Kommunikationstechnologien. Im Kontext der digitalen Ergotherapie bedeutet dies oft, dass Therapiesitzungen per sicherer Videokonferenz abgehalten werden, wodurch eine direkte Interaktion zwischen Therapeut\*in und Klient\*in ermöglicht wird. Ergänzend können Online-Plattformen genutzt werden, um Übungsanleitungen bereitzustellen, Aufgaben zuzuweisen oder eine asynchrone Kommunikation (z. B. per Chat oder E-Mail) zwischen den Sitzungen zu ermöglichen. Teletherapie ist somit eine wichtige Form der Durchführung, ein Kanal, über den viele Elemente der digitalen Ergotherapie realisiert werden können.

Die Kernkomponenten der digitalen Ergotherapie umfassen eine Reihe von Elementen, die je nach Bedarf und Zielsetzung kombiniert werden:

  • Online-Beratung und -Anleitung: Direkte therapeutische Gespräche, Anleitungen und Feedback via Videokonferenz oder anderen digitalen Kanälen.
  • Digitale Übungspläne und Aufgabenstellungen: Individuell erstellte Pläne, die digital zur Verfügung gestellt und bearbeitet werden können, oft mit multimedialen Anleitungen (Videos, Bilder).
  • Einsatz spezifischer Therapie-Apps: Nutzung von Anwendungen, die gezielt zur Unterstützung von Übungen (z. B. Feinmotoriktraining, kognitives Training), zum Monitoring des Fortschritts (z. B. Aktivitätstracking, Schmerztagebuch) oder zur Vermittlung von Strategien (z. B. Alltagsstrukturierung, Stressbewältigung) entwickelt wurden.
  • Nutzung von Wearables oder Sensoren: Einsatz tragbarer Technologien (z. B. Fitnessarmbänder, Bewegungssensoren) zur objektiven Erfassung von Bewegungsdaten, Aktivitätsmustern oder physiologischen Parametern, was eine präzisere Fortschrittsmessung und Anpassung der Therapie ermöglicht.

(Quellen: https://dve.info/ergotherapie/definition, https://www.edps.europa.eu/press-publications/publications/techsonar/digital-therapeutics-dtx, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/, https://www.news-medical.net/health/What-are-Digital-Therapeutics.aspx)

Funktionsweise der digitalen Ergotherapie in der Praxis

Der Ablauf einer digitalen Ergotherapie kann variieren, folgt aber typischerweise einem strukturierten Prozess, der die Vorteile digitaler Werkzeuge integriert. Hier ein beispielhafter Ablauf:

  1. Erstgespräch und Befundung: Dieser erste wichtige Schritt findet häufig online über eine sichere Videokonferenzplattform statt. Die Therapeut\*in erfasst die Problematik der Klient\*in, führt eine ausführliche Anamnese durch und erhebt relevante Befunde, soweit dies digital möglich ist. Gemeinsam werden die individuellen Therapieziele definiert und das weitere Vorgehen besprochen. Digitale Fragebögen oder Assessment-Tools können diesen Prozess unterstützen.
  2. Therapieplanung: Basierend auf der Befundung erstellt die Therapeut\*in einen individuellen Behandlungsplan. Hierbei können digitale Planungstools oder spezialisierte Praxissoftware zum Einsatz kommen, um den Plan strukturiert zu erstellen und der Klient\*in digital zugänglich zu machen. Der Plan berücksichtigt die vereinbarten Ziele und legt die Frequenz und Art der Interventionen (synchron/asynchron) fest.
  3. Durchführung der Therapie: Die eigentliche Therapiephase kombiniert oft verschiedene digitale Methoden:
    • Synchrone Sitzungen: Regelmäßige Termine per Teletherapie (Videocall), bei denen die Therapeut\*in direkt Übungen anleitet, Feedback gibt, Strategien vermittelt und den Fortschritt bespricht. Dies ermöglicht eine persönliche Interaktion trotz räumlicher Distanz.
    • Asynchrone Elemente: Die Klient\*in führt Übungen und Aufgaben selbstständig durch, angeleitet durch digitale Materialien wie Videos, Anleitungen auf einer Online-Plattform oder spezifische Therapie-Apps. Der Fortschritt kann dabei oft digital dokumentiert werden.
    • Digitale Kommunikation: Zwischen den synchronen Sitzungen können sichere Nachrichtenfunktionen oder E-Mail für kurze Rückfragen, Anpassungen oder zur Motivation genutzt werden.
  4. Monitoring und Anpassung: Die Therapeut\*in überwacht kontinuierlich den Therapiefortschritt. Dies geschieht durch die Analyse von Daten aus Therapie-Apps (z. B. absolvierte Übungen, erreichte Scores), durch Selbstberichte der Klient\*in (z. B. digitale Tagebücher), durch Beobachtung während der Teletherapie-Sitzungen oder ggf. durch Videoaufnahmen von Übungsausführungen, die die Klient\*in zur Verfügung stellt. Basierend auf diesen Informationen wird der Therapieplan bei Bedarf flexibel angepasst, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen.

Für die Umsetzung der digitalen Ergotherapie kommen verschiedene Technologien und Hilfsmittel zum Einsatz:

  • Kommunikationsplattformen: Sichere, datenschutzkonforme Videokonferenzsysteme sind die Basis für Teletherapie-Sitzungen und gewährleisten eine vertrauliche Kommunikation.
  • Spezialisierte Therapie-Apps: Eine wachsende Zahl von Apps unterstützt spezifische ergotherapeutische Ziele, z. B. Training der Handmotorik, Verbesserung kognitiver Funktionen (Gedächtnis, Aufmerksamkeit), Unterstützung bei der Alltagsplanung und -strukturierung, Tools für das Schmerzmanagement oder Apps zur Förderung der Therapieadhärenz durch Erinnerungen und Motivationshilfen.
  • Wearables und Sensoren: Aktivitätstracker, Smartwatches oder spezialisierte Bewegungssensoren können objektive Daten über Bewegungsumfang, Bewegungsqualität, Aktivitätsniveau oder Schlafverhalten liefern und so die Therapieevaluation unterstützen.
  • Online-Therapieportale: Webbasierte Plattformen können als zentraler Hub für den Austausch von Übungsmaterialien, Therapieplänen, zur sicheren Kommunikation und zur Dokumentation des Fortschritts dienen.

Die Rollen von Therapeut\*in und Patient\*in sind in der digitalen Ergotherapie klar definiert und erfordern bestimmte Kompetenzen. Die Therapeut\*in benötigt neben ihrer fachlichen Expertise auch digitale Kompetenz: Sie muss geeignete digitale Tools auswählen, deren Anwendung sicher anleiten können und insbesondere die strengen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit gewährleisten. Die Patient\*in wiederum benötigt Zugang zur erforderlichen Technologie (stabile Internetverbindung, Endgerät wie PC, Tablet oder Smartphone mit Kamera und Mikrofon) und grundlegende digitale Fähigkeiten, um die Tools nutzen zu können. Ebenso wichtig ist die Motivation und Bereitschaft, Übungen auch selbstständig und eigenverantwortlich nach Anleitung durchzuführen.

(Quellen: https://www.edps.europa.eu/press-publications/publications/techsonar/digital-therapeutics-dtx, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/)

Vorteile und Chancen der digitalen Ergotherapie

Die digitale Ergotherapie eröffnet sowohl für Patient\*innen als auch für Therapeut\*innen eine Reihe signifikanter Vorteile und Chancen, die zur Modernisierung und Verbesserung der Versorgung beitragen.

Vorteile für Patient\*innen:

  • Verbesserte Zugänglichkeit: Einer der größten Vorteile ist die Überwindung geografischer Barrieren. Menschen in ländlichen oder unterversorgten Regionen erhalten leichter Zugang zu spezialisierter ergotherapeutischer Versorgung. Ebenso profitieren Personen mit Mobilitätseinschränkungen, chronischen Erkrankungen oder einem geschwächten Immunsystem, für die der Weg zur Praxis beschwerlich oder riskant wäre.
  • Erhöhte Flexibilität: Teletherapie-Termine lassen sich oft flexibler in den Alltag integrieren. Die Notwendigkeit von Anfahrtswegen und die damit verbundene Zeitersparnis entfallen, was besonders für Berufstätige oder Personen mit Betreuungsverantwortung relevant ist.
  • Therapie im gewohnten Umfeld: Übungen und Strategien können direkt im häuslichen oder alltäglichen Kontext der Patient\*in durchgeführt und erprobt werden. Dies erleichtert den Transfer des Gelernten in den Alltag und kann die Nachhaltigkeit des Therapieerfolgs fördern.
  • Potenzielle Kostenersparnis: Neben der Zeitersparnis entfallen auch direkte Kosten für Anfahrt (Benzin, ÖPNV-Tickets) und ggf. Parkgebühren. Indirekte Kosten durch Arbeitsausfall können ebenfalls reduziert werden.
Ergotherapie App Anwendung
  • Stärkung der Selbstwirksamkeit und digitalen Kompetenz: Die aktive Nutzung von Therapie-Apps und digitalen Kommunikationsmitteln kann die Eigenverantwortung und das Gefühl der Selbstwirksamkeit der Patient\*innen stärken. Gleichzeitig werden wertvolle digitale Kompetenzen erworben oder vertieft, was in einer zunehmend digitalisierten Welt von Vorteil ist.

Vorteile für Therapeut\*innen:

  • Erweiterung des Einzugsgebiets: Therapeut\*innen sind nicht mehr auf ihr lokales Umfeld beschränkt, sondern können Patient\*innen überregional oder sogar international betreuen (sofern rechtliche Rahmenbedingungen dies zulassen).
  • Effizienzsteigerung: Digitale Werkzeuge können administrative Aufgaben vereinfachen. Eine gute Praxissoftware unterstützt bei der Terminplanung (inklusive Online-Terminbuchung für Teletherapie), der digitalen Dokumentation, der sicheren Kommunikation und der Abrechnung. Dies kann Zeitressourcen freisetzen, die für die direkte Patientenversorgung genutzt werden können.
  • Neue Therapiemöglichkeiten: Der Einsatz innovativer Therapie-Apps, VR/AR-Anwendungen oder sensorgestützter Systeme eröffnet neue Wege für Diagnostik, Intervention und Monitoring. Datengestütztes Arbeiten ermöglicht eine präzisere Verlaufsbeobachtung und individuellere Therapieanpassung.
  • Flexiblere Arbeitsmodelle: Die Möglichkeit, Therapien auch digital durchzuführen, erlaubt flexiblere Arbeitszeitmodelle und potenziell auch die Arbeit aus dem Homeoffice, was zur Verbesserung der Work-Life-Balance beitragen kann.

Im Kontext der Digitalisierung:

Die digitale Ergotherapie ist eine logische und notwendige Antwort auf die fortschreitende Digitalisierung des gesamten Gesundheitswesens. Sie trägt maßgeblich zur Modernisierung der ergotherapeutischen Versorgung bei und hat das Potenzial, bestehende Versorgungslücken, insbesondere im ländlichen Raum oder bei spezifischen Patientengruppen, zu schließen oder zumindest zu verringern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Möglichkeit, durch digitale Tools systematisch Real-World Data zur Anwendung und Wirksamkeit ergotherapeutischer Interventionen zu sammeln. Diese Daten können wiederum zur Verbesserung der Therapiequalität, zur Entwicklung neuer Ansätze und zur Evidenzbasierung beitragen.

(Quellen: https://en.wikipedia.org/wiki/Digital_therapeutics, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/, https://dve.info/ergotherapie/definition, https://www.news-medical.net/health/What-are-Digital-Therapeutics.aspx)

Herausforderungen und Grenzen der digitalen Ergotherapie

Trotz der vielfältigen Vorteile steht die digitale Ergotherapie auch vor spezifischen Herausforderungen und hat natürliche Grenzen, die bei ihrer Implementierung und Anwendung berücksichtigt werden müssen.

Technische Voraussetzungen:
Eine grundlegende Hürde ist die Notwendigkeit einer adäquaten technischen Ausstattung auf beiden Seiten – bei der Therapeut\*in und bei der Klient\*in. Dazu gehören eine stabile, ausreichend schnelle Internetverbindung und geeignete Endgeräte wie ein Computer, Laptop, Tablet oder Smartphone, die über Kamera und Mikrofon verfügen. Fehlt diese Infrastruktur, ist eine digitale Therapie oft nicht oder nur eingeschränkt möglich. Darüber hinaus wird ein gewisses Maß an digitalen Grundkompetenzen vorausgesetzt. Sowohl Therapeut\*innen als auch Klient\*innen müssen in der Lage sein, die eingesetzte Software und Hardware sicher zu bedienen. Nicht alle Menschen verfügen über diese Fähigkeiten oder haben Zugang zu entsprechender Unterstützung.

Datenschutz und Datensicherheit:
Der Umgang mit sensiblen Gesundheitsdaten erfordert höchste Standards an Datenschutz und Datensicherheit. Bei der Übertragung und Speicherung von Patientendaten im Rahmen der digitalen Ergotherapie müssen die strengen Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und nationaler Gesetze zwingend eingehalten werden. Dies betrifft die Auswahl sicherer Kommunikationsplattformen, Therapie-Apps und Praxissoftware sowie die Etablierung sicherer Prozesse in der Praxis. Die Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität der Daten ist eine zentrale Herausforderung und erfordert kontinuierliche Aufmerksamkeit und technisches Know-how.

Therapeutische Grenzen:
Die digitale Ergotherapie kann und soll die Präsenztherapie nicht in allen Fällen ersetzen. Bestimmte ergotherapeutische Maßnahmen sind digital nur schwer oder gar nicht umsetzbar. Dazu gehören beispielsweise manuelle Techniken, bestimmte standardisierte Assessments, die eine physische Interaktion oder spezielle Materialien erfordern, oder die Versorgung von Klient\*innen mit sehr komplexen Krankheitsbildern oder starken kognitiven bzw. kommunikativen Einschränkungen. Die Entscheidung für oder gegen eine digitale bzw. hybride Therapie muss immer individuell getroffen werden, basierend auf der Eignung der Klient\*in, den Therapiezielen und den spezifischen Interventionen.

Akzeptanz:
Obwohl die Akzeptanz digitaler Gesundheitslösungen wächst, können bei Patient\*innen und auch bei Therapeut\*innen weiterhin Vorbehalte, Ängste oder Unsicherheiten gegenüber Technologie bestehen. Manche bevorzugen den direkten persönlichen Kontakt oder fühlen sich im Umgang mit digitalen Medien überfordert. Eine weitere Herausforderung kann der Aufbau und die Aufrechterhaltung einer tragfähigen therapeutischen Beziehung sein, wenn die Interaktion ausschließlich über digitale Kanäle stattfindet. Empathie und Vertrauen müssen auch auf Distanz vermittelt werden können.

Abrechnung und rechtliche Rahmenbedingungen:
Die Rahmenbedingungen für die digitale Ergotherapie sind teilweise noch in Entwicklung. Die Frage der Kostenübernahme für Teletherapie-Leistungen und digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) durch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen ist nicht immer eindeutig geklärt oder kann an spezifische Voraussetzungen geknüpft sein. Zudem gibt es spezifische rechtliche Anforderungen an die Durchführung von Fernbehandlungen (z. B. Sorgfaltspflichten, Aufklärungspflichten, Regelungen zur ausschließlichen Fernbehandlung), die Therapeut\*innen kennen und beachten müssen. Klare und verlässliche Regelungen sind essenziell für eine breite Etablierung der digitalen Ergotherapie.

(Quellen: https://www.edps.europa.eu/press-publications/publications/techsonar/digital-therapeutics-dtx, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/)

Technologische Unterstützung: Software und Therapie-Apps in der Ergotherapie

Die technologische Basis der digitalen Ergotherapie bilden spezialisierte Softwarelösungen und Therapie-Apps, die den therapeutischen Prozess unterstützen, ergänzen und teilweise effizienter gestalten.

Überblick über Therapie-Apps in der Ergotherapie:
Therapie-Apps sind digitale Anwendungen, die gezielt für therapeutische Zwecke entwickelt wurden. In der Ergotherapie decken sie ein breites Spektrum an Funktionen ab und können in verschiedenen Phasen der Behandlung eingesetzt werden:

  • Apps für motorisches Training: Diese können Übungen zur Verbesserung der Feinmotorik (z. B. Fingerfertigkeit, Hand-Auge-Koordination), Grobmotorik oder des Bewegungsumfangs anbieten, oft spielerisch gestaltet (Gamification) und mit Feedbackmechanismen.
  • Apps für kognitives Training: Hierzu zählen Anwendungen, die gezielt kognitive Funktionen wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration, Problemlösung oder exekutive Funktionen trainieren. Sie bieten oft verschiedene Schwierigkeitsgrade und eine Fortschrittsdokumentation.
  • Apps zur Strukturierung des Alltags und zum Erlernen von Bewältigungsstrategien: Diese können helfen, Tagesabläufe zu planen, Erinnerungen für Medikamenteneinnahme oder Aufgaben zu setzen, Handlungsabläufe zu visualisieren oder Strategien zum Umgang mit Stress, Angst oder anderen Herausforderungen zu vermitteln.
  • Apps zur Schmerzdokumentation und -bewältigung: Digitale Schmerztagebücher ermöglichen eine strukturierte Erfassung von Schmerzintensität, -art und -auslösern. Manche Apps bieten zudem Entspannungsübungen oder Informationen zum Schmerzmanagement.
  • Apps zur Förderung der Therapieadhärenz: Diese Anwendungen unterstützen Patient\*innen dabei, ihre Therapieziele konsequent zu verfolgen, indem sie an Übungen erinnern, motivierende Rückmeldungen geben oder den Fortschritt visualisieren.

Die Auswahl und der Einsatz solcher Therapie-Apps erfolgen durch die Therapeut\*in basierend auf den individuellen Bedürfnissen und Zielen der Klient\*in.

Die Bedeutung guter Praxissoftware:
Eine leistungsfähige und gut durchdachte Praxissoftware ist das Rückgrat für die effiziente Organisation und Durchführung von digitalen Ergotherapie-Angeboten. Sie bündelt administrative und therapeutische Prozesse und erleichtert den Arbeitsalltag erheblich. Zu den essenziellen Funktionen gehören:

  • Terminplanung: Verwaltung von Präsenz- und Teletherapie-Terminen, idealerweise mit Online-Buchungsoption für Patient\*innen und automatischer Erinnerungsfunktion.
  • Sichere Patientenkommunikation: Integrierte, verschlüsselte Nachrichten- oder Videofunktionen für den datenschutzkonformen Austausch mit Patient\*innen.
  • Digitale Patientenakte und Dokumentation: Strukturierte Erfassung von Anamnese, Befunden, Therapiezielen, Verlaufsdokumentation und Berichten in einer digitalen Akte.
  • Abrechnung: Unterstützung bei der Abrechnung von ergotherapeutischen Leistungen, idealerweise auch mit spezifischen Modulen für Teletherapie oder digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs).
  • Verwaltung digitaler Ressourcen: Möglichkeit zur Hinterlegung und Zuweisung von digitalen Übungsmaterialien, Links zu Therapie-Apps oder Informationsblättern für Patient\*innen.

Eine gute Praxissoftware ist nicht nur ein Effizienzwerkzeug, sondern unterstützt Therapeut\*innen maßgeblich dabei, die komplexen Anforderungen des Datenschutzes im Rahmen der digitalen Ergotherapie und Teletherapie zu erfüllen.

Worauf bei der Auswahl von Software/Apps achten?
Die Auswahl geeigneter digitaler Werkzeuge ist entscheidend für den Erfolg und die Sicherheit der digitalen Ergotherapie. Folgende Kriterien sollten berücksichtigt werden:

  • Datenschutzkonformität: Absolute Priorität hat die Einhaltung der DSGVO und anderer relevanter Datenschutzbestimmungen. Zertifizierungen oder transparente Informationen zur Datenverarbeitung sind wichtig.
  • Benutzerfreundlichkeit: Die Software oder App sollte sowohl für die Therapeut\*in als auch für die Patient\*in intuitiv und einfach zu bedienen sein. Eine gute Usability fördert die Akzeptanz und Nutzung.
  • Evidenzbasierung / wissenschaftliche Validierung: Insbesondere bei Therapie-Apps, die direkt auf therapeutische Ziele einzahlen, sollte auf eine wissenschaftliche Grundlage oder idealerweise auf Studien zur Wirksamkeit geachtet werden.
  • Technische Stabilität und Support: Die Anwendung sollte zuverlässig funktionieren. Ein guter technischer Support durch den Anbieter bei Fragen oder Problemen ist ebenfalls wichtig.
  • Interoperabilität / Integrationsfähigkeit: Idealerweise lässt sich die Software oder App gut in bestehende Systeme, insbesondere die zentrale Praxissoftware, integrieren, um doppelte Dateneingaben zu vermeiden und Prozesse zu verschlanken.

(Quellen: https://www.edps.europa.eu/press-publications/publications/techsonar/digital-therapeutics-dtx, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/)

Zukunftsausblick: Weiterentwicklung und Digitalisierung der Ergotherapie

Die digitale Ergotherapie steht nicht still, sondern befindet sich in einem dynamischen Entwicklungsprozess, angetrieben durch technologische Innovationen und die fortschreitende Digitalisierung im Gesundheitswesen. Der Blick in die Zukunft verspricht spannende Weiterentwicklungen.

Weiterentwicklung der digitalen Ergotherapie:
Die technologischen Möglichkeiten zur Unterstützung der Ergotherapie werden kontinuierlich erweitert:

  • Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR): Diese immersiven Technologien bieten großes Potenzial. VR kann genutzt werden, um sichere, kontrollierte Umgebungen für das Training von Alltagsaktivitäten (z. B. Einkaufen, Kochen) oder zur Expositionstherapie (z. B. bei Angststörungen) zu schaffen. AR kann reale Umgebungen um virtuelle Anleitungen oder Hilfestellungen erweitern und so das Lernen im Kontext unterstützen.
  • Künstliche Intelligenz (KI): KI-Algorithmen können große Mengen an Therapiedaten analysieren, um Muster zu erkennen, den Therapieverlauf vorherzusagen oder individuelle Übungsempfehlungen zu generieren. KI kann Therapeut\*innen bei der Diagnostik, Therapieplanung und Auswertung unterstützen und zu einer stärker personalisierten Behandlung beitragen.
  • Weiterentwicklung der Sensorik: Immer präzisere und kleinere Sensoren (in Wearables, Kleidung oder der Umgebung integriert) ermöglichen ein noch detaillierteres Monitoring von Bewegungsabläufen, physiologischen Daten oder Aktivitätsmustern im Alltag der Patient\*innen. Dies liefert wertvolle objektive Daten für die Therapieevaluation und -anpassung.

Diese Technologien werden die Werkzeugkiste der digitalen Ergotherapie erweitern und neue, effektivere Interventionsmöglichkeiten schaffen.

Hybride Versorgungsmodelle:
Die Zukunft der ergotherapeutischen Versorgung liegt höchstwahrscheinlich nicht in einem „Entweder-Oder“ zwischen Präsenztherapie und digitaler Ergotherapie, sondern in intelligenten hybriden Modellen. Diese kombinieren je nach individuellem Bedarf, Krankheitsbild, Therapieziel und Phase der Behandlung gezielt Präsenztermine mit digitalen Elementen wie Teletherapie-Sitzungen, der Nutzung von Therapie-Apps für das Heimübungsprogramm oder digitalem Monitoring. Ein solcher „Blended Care“-Ansatz kann die Vorteile beider Welten vereinen: die persönliche Beziehung und die Möglichkeit manueller Techniken aus der Präsenztherapie sowie die Flexibilität, Zugänglichkeit und Datenunterstützung der digitalen Formate.

Fortschreitende Digitalisierung:
Die allgemeine Digitalisierung im Gesundheitswesen wird die Rahmenbedingungen für die digitale Ergotherapie weiter verbessern. Dazu gehören der Ausbau der digitalen Infrastruktur (z. B. flächendeckendes schnelles Internet, Telematikinfrastruktur), die Schaffung klarerer rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen (z. B. für die Abrechnung von Teletherapie und DiGAs) und die zunehmende Standardisierung von Prozessen und Schnittstellen. Es ist zu erwarten, dass die Akzeptanz digitaler Gesundheitslösungen bei Patient\*innen und Leistungserbringern weiter steigt und die digitale Ergotherapie zu einem selbstverständlichen Bestandteil der Regelversorgung wird – als sinnvolle und effektive Ergänzung zur traditionellen Therapie.

(Quellen: https://www.edps.europa.eu/press-publications/publications/techsonar/digital-therapeutics-dtx, https://dtxalliance.org/understanding-dtx/, https://www.news-medical.net/health/What-are-Digital-Therapeutics.aspx)

Fazit: Das Potenzial der digitalen Ergotherapie nutzen

Die digitale Ergotherapie markiert eine bedeutende und zukunftsweisende Entwicklung innerhalb der ergotherapeutischen Versorgung. Durch den gezielten Einsatz von Technologien wie Teletherapie, spezialisierten Therapie-Apps, Sensoren und unterstützender Praxissoftware erweitert und flexibilisiert sie die Möglichkeiten, Menschen bei der Verbesserung ihrer Handlungsfähigkeit und Lebensqualität zu unterstützen.

Wie dargelegt, bietet die digitale Ergotherapie zahlreiche Vorteile, darunter eine verbesserte Zugänglichkeit, erhöhte Flexibilität für Patient\*innen und Therapeut\*innen sowie neue methodische Ansätze durch innovative digitale Werkzeuge. Gleichzeitig bestehen Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der technischen Voraussetzungen, des Datenschutzes, der therapeutischen Grenzen bei bestimmten Interventionen und der Notwendigkeit klarer rechtlicher und finanzieller Rahmenbedingungen.

Als integraler Bestandteil der fortschreitenden Digitalisierung im Gesundheitswesen birgt die digitale Ergotherapie erhebliches Potenzial, die Versorgung effizienter, zugänglicher und stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Patient\*innen auszurichten. Sie ist nicht als Ersatz, sondern vielmehr als wertvolle Ergänzung zur bewährten Präsenztherapie zu sehen, wobei hybride Modelle zukünftig eine zentrale Rolle spielen dürften.

Sowohl Patient\*innen als auch Ärzt\*innen, Therapeut\*innen und Auszubildende sind ermutigt, sich offen und neugierig mit den Möglichkeiten der digitalen Ergotherapie auseinanderzusetzen. Bei konkretem Interesse oder Bedarf empfiehlt es sich, das Gespräch mit qualifizierten Ergotherapeut\*innen zu suchen oder sich bei Krankenkassen über verfügbare Angebote, zertifizierte Therapie-Apps (DiGAs) und die geltenden Rahmenbedingungen für Teletherapie und Kostenübernahme zu informieren. Die Zukunft der Ergotherapie wird digitaler – gestalten wir sie gemeinsam zum Wohle der Patient\*innen.

FAQ – Häufig gestellte Fragen

Frage: Ersetzt die digitale Ergotherapie die normale Ergotherapie in der Praxis?

Antwort: Nein, die digitale Ergotherapie ist in der Regel als Ergänzung zur traditionellen Präsenztherapie gedacht. Sie erweitert die Möglichkeiten, ersetzt aber nicht den direkten Kontakt, insbesondere bei bestimmten manuellen Techniken oder komplexen Fällen. Zukünftig werden hybride Modelle, die beide Formen kombinieren, wahrscheinlich am häufigsten sein.

Frage: Übernehmen die Krankenkassen die Kosten für digitale Ergotherapie?

Antwort: Die Kostenübernahme für Teletherapie-Leistungen und digitale Gesundheitsanwendungen (DiGAs) entwickelt sich stetig. Einige Leistungen und zertifizierte Apps werden bereits von gesetzlichen und privaten Krankenkassen übernommen, oft unter bestimmten Voraussetzungen. Es ist ratsam, sich direkt bei der eigenen Krankenkasse oder dem/der Ergotherapeut\*in über die aktuellen Regelungen zu informieren.

Frage: Brauche ich spezielle technische Kenntnisse, um digitale Ergotherapie nutzen zu können?

Antwort: Grundlegende digitale Fähigkeiten sind erforderlich, wie der Umgang mit einem Computer, Tablet oder Smartphone und einer Internetverbindung. Die verwendeten Plattformen und Apps sind jedoch meist darauf ausgelegt, benutzerfreundlich zu sein. Ihr/e Therapeut\*in wird Sie bei der Einrichtung und Nutzung der benötigten Technik unterstützen.

Frage: Ist digitale Ergotherapie genauso wirksam wie Präsenztherapie?

Antwort: Die Wirksamkeit hängt stark von der individuellen Situation, den Therapiezielen und der Art der Intervention ab. Für viele Bereiche gibt es bereits gute Evidenz, dass digitale oder hybride Ansätze wirksam sein können. Bei bestimmten Zielen, die z.B. direkte manuelle Behandlung erfordern, bleibt die Präsenztherapie unersetzlich. Die Entscheidung für die passende Therapieform trifft der/die Therapeut\*in gemeinsam mit Ihnen.

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